Das Außenlager Grüneberg
Eines der 45 Außenlager (und 10 Außenkommandos) des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück befand sich in Grüneberg 45 km südlich des Stammlagers in Richtung Berlin. Das Lager lag am Rande des Ortes hinter dem Bahnhof an den Bahngleisen. Jenseits der Gleise standen die Gebäude der Metallfabrik Grüneberg, die seit 1931 Munition herstellte und 1933 eine Tochterfirma der Polte AG Magdeburg wurde.
(siehe unter „MEHR INFORMATIONEN 3 DIE MUNITIONSFABRIK“)
Auf dem Lagergelände wurden im Winter 1942/43 Baracken gebaut. Im März 1943 gab es die erste Belegung mit 350 Häftlingen, dann folgten weitere Transporte nach Grüneberg. Im November und Dezember 1944 wurden 1712 Häftlinge verschiedener Nationalität gemeldet.
Täglich führte die Deportierten der Arbeitsweg durch bewohnte Gebiete des Ortes über eine Schrankenanlage zur Fabrik. Sie wurden - wahrscheinlich blockweise - in Kolonnen geführt, von Aufseherinnen mit Peitschen und Hunden bewacht und mit Nachdruck zur Eile angetrieben. Die Schichten wechselten einmal am Tag nach 12 Stunden Arbeitszeit.
Bild 1: Lagerskizze von Clemens Kolkwitz 2018 / Eigenarchiv
In der Fabrik wurden die Deportierten gezwungen, die gefährlichsten Arbeiten zu verrichten. Es kam immer wieder zu Unfällen. Die Zeitzeuginnen erzählen außerdem von Wunden durch die scharfen Metallgrate und Entzündungen durch Berührung mit Phosphor und Azeton. Geschwüre am Körper und Erkrankungen waren die Folge.
(siehe unter „MEHR INFORMATIONEN 2 DIE DEPORTIERTEN und 4 DIE HÄFTLINGSBIOGRAFIEN")
Im Frühjahr 1944 wurde eine Erweiterung des Lagers um vier Baracken für italienische Militärinternierte geplant. Diesem Umstand verdanken wir einen „Lageplan des Barackengeländes, Be- und Entwässerungsplan“ der Grüneberger Metallgesellschaft mbH Magdeburg, Bauherr ist laut Stempel die Baudirektion d. Fa. Polte mit Unterschrift des Architekten, ein weiterer Stempel auf dem Dokument gibt Auskunft über den „Baubevollmächtigten im Reichsministerium Speer im Bezirk der Rüstungsproduktion III in Brandenburg“. Die Unterlagen liegen im Brandenburgischen Landesarchiv Potsdam.
Aus diesem Lageplan und dem Luftbild, das im März 1945 entstand, haben wir zunächst einen Lagerplan in Militärperspektive erstellt. Auf diese Art wird der Aufbau des Lagers und die Funktionen der Baracken deutlich.
(siehe unter „MEHR INFORMATIONEN 1 DAS LAGER“).
Bild 2: Zeichnungsausschnitt: Bauherr die Grüneberger Metallgesellschaft mbH / Quelle: Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA), Rep. 6C Ruppin Nr. 500/2
Bild 3: Zeichnungsausschnitt: Namen des Bauherren und Architekten / Quelle: Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA), Rep. 6C Ruppin Nr. 500/2
Es wurde ein brutales Strafregiment geführt, bei dem sich die Aufseherinnen gegenseitig überboten. Viele Frauen haben später davon berichtet. Grüneberg war in Ravensbrück als Straflager gefürchtet.
(siehe unter „MEHR INFORMATIONEN 6 DIE AUFSEHERINNEN“)
Die Auflösung geschah ab dem 20. April 1945. Die Häftlinge wurden zum Teil über die Landstraße zur B96 getrieben. Andere wurden mit LKW oder mit dem Zug nach Ravensbrück gebracht und dort auf den Todesmarsch geschickt. Aber einige wurden dort durch die Rettungsaktion Bernadotte nach Dänemark und Schweden verbracht und durften endlich sicher sein.
Nach dem Kriegsende wurde auf Geheiß des Bürgermeisters von einigen jungen Leuten im Dorf das Barackenlager leergeräumt. Eine junge Frau räumte die Decken mit heraus und war entsetzt, was sie dort vorfand: „So können doch Menschen gar nicht gelebt haben!“.
Die damals wertvollen hölzernen Barackenteile konnten sich Deutsche holen, die hier nach der Flucht aus dem Osten siedelten, so zum Beispiel in Häsen der ganze Kraatzer Weg. Sie bauten sich erste Häuser, die freilich später durch steinerne ersetzt wurden. Auch hier gibt es einen ausführlichen Zeitbericht.
Auch gebogene Zaunpfeiler finden sich noch an verschiedenen Grundstücken des Ortes und der Umgebung zweitverwendet. Sogar mit Isolator.
Und im Winter bilden sich deutlich die Erhebungen der Beton-Bodenplatten der 10 Baracken in der Grasnarbe ab.
(siehe unter „MEHR INFORMATIONEN 1 DAS LAGER")
Bild 4: Restaurierte Gedenktafel / Foto: B. Dietz
Bild 5: Infotafeln am Gedenkort / Foto: B. Dietz
Ein Gedenkort mit Zaunpfählen aus einem anderen Lager und einer Gedenkplatte aus Kupfer erinnert seit 1989 an das Geschehen am Ort.
2022 hat die Gemeinde zusätzlich Bänke und 2023 sechs beidseitig beschriebene Infotafeln aufgestellt. Sie führen mit Bildern, Zeitzeugnissen und Sachtexten in die Geschichte des Lagers ein.
Des Weiteren wäre dem Auffinden des Gedenkortes das Aufstellen von Hinweisschildern im Ort und an der Bundesstraße dienlich.
Leider lässt sich insgesamt ein pädagogisches Konzept vermissen. Hoffen wir, dass das übermäßige Textangebot der Infostafeln dennoch - in unserm Sinne - Familien und Schulklassen eine Möglichkeit gibt, sich über das Geschehene zu informieren und heutige Zeitzeichen zu diskutieren.
(Das alternative Konzept der Initiative (siehe unter „MEHR INFORMATIONEN 7 DER GEDENKORT UND SEINE MÖGLICHE ERWEITERUNG“)
Stand: Januar 2024